Das Engagement des Grafschafter Museums- und Geschichtsvereins bei der Sanierung des Industriedenkmals Rheinpreussen Schacht 4 in Moers

Alexander Eichholtz 2006

Geschichte:

Am 15. September 1900 erfolgt – als Ersatz für den auslaufenden Rheinpreußen Bergbau in Homberg - der Spatenstich für das Abteufen des Schachtes Rheinpreußen 4, noch im gleichen Jahr wird auch mit dem Teufen des Schachtes Rheinpreußen 5 begonnen. Damit greift die Industrialisierung auf das Moerser Stadtgebiet über. Das wird besonders augenfällig durch die Errichtung der Bergarbeiter-Siedlung in Meerbeck zwischen den beiden neuen Bergwerken in den Folgejahren und gibt auch Anstoß für die Gründung des Vereins für Heimatkunde, des späteren Grafschafter Museums- und Geschichtsvereins.

Die in den Jahren 1904/05 nach neuesten technischen Gesichtspunkten errichteten Tagesanlagen finden in der zeitgenössischen Berichterstattung lobende Erwähnung. Nach fast 60 jähriger Betriebszeit und der Förderung von fast 50 Mio Tonnen aus dem Grubenfeld unter dem Stadtgebiet von Moers wird das „Goldschächtchen“ Rheinpreußen Schacht 4 nach der Inbetriebnahme des zentralen Förderschachtes Rheinpreußen 9 in Moers-Utfort 1962 stillgelegt. Alle nicht mehr benötigten Flächen werden – nach Abbruch von Kokerei und Aufbereitung - mit den aufstehenden Gebäuden im Jahre 1972 an die Firma Brabender bzw. an die Stadt Moers verkauft. Der Schacht selbst dient noch weitere 30 Jahre als Wetterschacht für das Bergwerk Rheinland. Mit der Stillegung auch der Schachtanlage Rheinpreußen 9 im Jahre 1991 wird der Schacht nicht mehr benötigt, abgeworfen und später – 1994 – verfüllt.

Das Denkmal:

Am 08. Mai 1989 werden die noch vorhandenen Gebäude einschließlich der auf das Gelände zuführenden Platanenallee in die Denkmalliste eingetragen; ein Widerspruch der Bergbau AG Niederrhein wird vom Oberkreisdirektor Wesel abgewiesen.

Die Denkmalwürdigkeit des Schachtes IV leitet sich ab aus der historischen Bedeutung

  • des ältesten noch erhaltenen Doppelstrebengerüstes in Fachwerkbauweise für die Entwicklungsgeschichte der Seilscheibenstützkonstruktionen,
  • der Architektur der einzelnen ohne wesentliche baulichen Veränderungen aus der Zeit ihrer Entstehung noch erhaltenen Gebäude und ihrer Anordnung zueinander,
  • des eigentlichen Bergwerksbetriebes für den Bergbau am linken Niederrhein und
  • des Rheinpreußenbergbaus für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt und der Region Moers.

 

Damit ergibt sich die denkmalpflegerische Bedeutung und Erhaltungswürdigkeit aus dem Zusammentreffen aller im Denkmalschutzgesetz (§ 2 DSchG NW) genannten Kriterien:

bedeutend für Städte und Siedlungen und die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse und für die Erhaltung liegen künstlerische, wissenschaftliche und städtebauliche Gründe vor.

Die Sanierung:

Ein ersten Gespräch über das weitere Vorgehen in Sachen Denkmal Rheinpreußen Schacht 4 erfolgt am 14. 02. 1990 auf dem Bergwerk Rheinland mit Vertretern aus den Häusern: Ministerium für Stadtentwicklung, Wirtschaft und Verkehr des Landes NRW (MSWV), Rheinisches Amt für Denkmalpflege (RAD), Bezirksregierung Düsseldorf, Stadt Moers, Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD), Nordrhein-Westfalen-Stiftung für Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege (NRW-Stiftung), dem Bergamt Moers und den Vertretern des Bergwerkes Rheinland und der Bergbau AG Niederrhein (BAN). Dabei erklären sich die beteiligten Stiftungen unter der Bedingung bereit, an der Finanzierung dann mitzuwirken, wenn sichergestellt wird, daß ein privater Verein den Komplex nach der Sanierung übernimmt und betreut. Das ist der eigentliche Grund dafür, daß der Grafschafter Museums- und Geschichtsverein ins Gespräch kommt und ab April 1990 an den Besprechungen beteiligt ist.

Dabei wird bezüglich des noch im Eigentum des Bergbaus stehenden Geländes und der aufstehenden Gebäude (Fördergerüst, Schachthalle mit Mannschaftsgang und Fördermaschinengebäude) festgestellt:

  • Die noch im Eigentum der Ruhrkohle (RAG) befindlichen Gebäude müssen und sollen renoviert werden.
  • Die RAG schätzt den Renovierungsaufwand auf rd. 7 Mio DM.
  • Der Bergbau bietet an: kostenlose Zurverfügungstellung des Geländes und aller Gebäude außerdem Beteiligung an der Sanierung mit 300 TDM ersparter Abbruchkosten sowie 100 TDM für die Instandsetzung des Fördermaschinengebäudes und kostenlose Übernahme der Bauführung und Betreuung der Sanierungsarbeiten.
  • Die Stadt Moers kann sich weder die Übernahme oder einen Unterhalt des Denkmals vorstellen noch gibt sie die Unterschrift für eine Ausfallbürgschaft.
  • Die beteiligten Stiftungen erklären sich zur finanziellen Unterstützung des Vorhabens unter der Bedingung bereit, daß die jetzt noch im Eigentum der RAG stehenden Gebäude nach der Sanierung von einem privaten Förderverein übernommen und betreut werden.


Der Grafschafter Museums-und Geschichtsverein erklärt sich zur Mitarbeit und späteren Übernahme des Komplexes bereit.

Diese Entscheidung zur Unterstützung des Vorhabens wäre dem Verein sicher nicht so leicht gefallen, wenn bekannt gewesen wäre, daß die Sanierung noch 10 Jahre dauern und soviel Arbeit und Engagement erfordern würde sowie die unterstellte Unterstützung durch das Bergwerk Rheinland infolge nicht absehbarer Schließung erst der Schachtanlage Rheinpreußen (1991) und dann auch des Bergwerkes Rheinland (1993) ausbleiben mußte.

Im November 1990 stellt die RAG das Sanierungskonzept für das Fördergerüst vor; es soll nicht insgesamt demontiert werden sondern die Sanierung abschnittsweise erfolgen. Aus Sicherheitsgründen muß das Gerüst dazu aber verhüllt werden. Dabei macht das MSWV den Vorschlag, zur Verringerung der Gesamtkosten – von denen noch nicht klar war, ob sie überhaupt aufzubringen sind und wer sie denn aufwenden würde - auf eine Sanierung von Schachthalle und Mannschaftsgang zu verzichten. Das hätte etwa zu einer Halbierung der geschätzten Kosten geführt. Es brauchte noch eine Reihe von großen Sitzungen und vieler Gespräche, um mit Unterstützung des RAD und der DSD die Schachthalle und den Mannschaftsgang zu erhalten, ohne die die funktionellen Zusammenhänge nicht darzustellen sind.

Zwischenzeitlich hat der Verein nach mehreren Vorgesprächen mit sachkundigen Interessierten, u.a. auch Herrn Bönninghausen, der die Industriemuseen des  LV Westfalen-Lippe aufbaute, Mitte 1991 das geforderte Nutzungskonzept erarbeitet. Weil der endgültige Ausgang der Debatte um den Erhalt der Schachthalle nicht abzusehen war, gab es dazu eine große Lösung mit Schachthalle - vorgesehen war die Darstellung der bergmännischer Abläufe an der übertägigen Schnittstelle von saigerer (vertikaler) und söhliger (horizontaler) Förderung - und eine kleine Lösung ohne Schachthalle. Erst Ende 1991 kommt der Durchbruch; das MSWV stimmt dem Erhalt des gesamten Ensembles zu.

Alle Beteiligten sind dann doch sehr überrascht, als das Bergamt Moers im November 1991 zur Abwehr akuter Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung den Abbruch des Fördergerüstes wegen seines schlechten baulichen Zustandes und seine sofortige Vollziehung anordnete. Im Nachherein gesehen war dieser Akt für den weitere Fortgang jedoch eher nützlich, denn das MSWV stellt für die notwendigen Sicherungsmaßnahmen unverzüglich Mittel aus dem Denkmalförderungsprogramm des Landes zur Verfügung, so daß diese auch unverzüglich begonnen werden können. Im Januar 1992 wird der vom Bergwerk Rheinland eingereichte Betriebsplan über die Sicherungsmaßnahmen am Fördergerüst vom Bergamt zugelassen und gleichzeitig die Anordnung zum Abriß zurückgenommen. Im April 1992 wird dann die Zusage der DSD über eine Förderungssumme von 1 Mio DM in Aussicht gestellt.

Mitte 1992 erfolgt eine erste Kontaktaufnahme mit dem neuen Eigentümer der schon früher von RAG verkauften Gebäude; Herr Architekt Eicken hatte diese mit einer Investoren GbR von der in Konkurs gegangenen Fa. Brabender erworben, die sich um den Erhalt insbesondere des Gebäudetraktes mit den Büros und der Lichthalle große Verdienste erworben hatte.

Auf einer Sitzung im großen Kreis im August 1992 stellt der GMGV sein umfangreiches Nutzungskonzept vor: Dabei werden umfangreiche Forderungen zur Unterstützung einer didaktischen Präsentation und Steigerung der Attraktivität des Industriedenkmals formuliert. Wie sich später zeigen sollte, ist es zu dieser großen Lösung letztlich doch nicht gekommen.

Nachdem im Januar 1993 die Seilscheiben zwecks Überarbeitung demontiert sind, laufen die eigentlichen Sanierungsmaßnahmen mit Geldern der NRW-Stiftung und der DSD richtig an. Der Zuschuß der NRW-Stiftung in Höhe von 1 Mio DM wird an eine vertragliche Vereinbarung mit der RAG gebunden, daß das Gelände nach der Sanierung kurzfristig kostenlos an den GMGV bzw. einer dafür zu gründende Stiftung übertragen wird.

Um die Öffentlichkeit für das neue Industriedenkmal zu interessieren, beteiligt sich der Verein im September 1993 an dem Tag des Offenen Denkmals; die an der Sanierung beteiligten Firmen präsentieren sich (u.a. kann das Nietenschlagen beobachtet werden), für Speisen und Getränke und die musikalische Umrahmung mit dem Rheinpreußen Orchester übernimmt der GMGV die Kosten.

Die Sanierung des Fördergerüstes kann Anfang 1994 mit dem Aufsetzen der neuen Dachkonstruktion abgeschlossen werden. Mit einem Kostenaufwand von rd. 3,2 Mio DM sind 44t korrodierter und verformter Stahlteile ausgewechselt, 23t neuer Stahlkonstruktion eingebaut, 30t Stahlteile demontiert, repariert und remontiert sowie 5400 Nietverbindungen hergestellt. Es folgt der Bauabschnitt: Sanierung der Schachthalle. Dazu muß zuerst das gesamte Mauerwerk ausgebrochen werden. Im März 1994 wird der Schacht 4 verfüllt. Der WDR berichtet darüber in seinem 3. Fernseh-Programm.

Im Zusammenhang mit der Sanierung der Schachthalle entstehen 1995 Probleme: Der Mannschaftsgang, den auch das MSWV und das RAD erhalten wissen wollen, muß demontiert werden, es lassen sich die Eigentumsverhältnisse aber nicht mehr klären. Außerdem fordert die an den Gesprächen beteiligte Investoren GbR im Hinblick auf eine evtl. spätere gewerbliche Nutzung mehr als nur eine Mindestsanierung der Schachthalle. Ohne auf die Details einzugehen, ist das der Auslöser dafür, daß letztlich Gelände und Gebäude nach einer Vielzahl von Gesprächen zwischen den Beteiligten und nachdem die Ruhrkohle die Sanierungsarbeiten im Juli 1996 wegen inzwischen aufgebrauchter Finanzmittel eingestellt hat im September 1997 in das Eigentum der Investoren GbR übergeht. An dem Kaufvertrag beteiligt ist die NRW-Stiftung, die sich eine auch Dritten übertragbare Berechtigung der Nutzung des Fördermaschinengebäudes als Museums-, Ausstellungs- und Versammlungsraum grundbuchlich absichern läßt und Mitsprache bei einer Nutzung des Fördergerüstes vertraglich vereinbart.

Nach der Zusicherung finanzieller Unterstützung durch die NRW-Stiftung, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und die Bezirksregierung sowie Unterzeichnung einer vertraglichen Regelung mit der NRW-Stiftung über die spätere Nutzung des Fördermaschinengebäudes führt der Grafschafter Museums- und Geschichtsverein 1998 als Bauherr die Renovierung des Fördermaschinengebäudes durch. Die Bauleitung übernimmt das Vereinsmitglied Architekt von Schaper unterstützt durch einen von Vereinsmitgliedern gebildeten Bauausschuß mit dem Ziel, das durch langjährige Nichtnutzung und unterlassene Unterhaltung heruntergekommene Gebäude einschließlich seiner maschinellen Ausstattung im Anhalt an seinen früheren Zustand instandzusetzen und es danach als Industriedenkmal der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dabei soll der später am Ostgiebel als Schaltraum errichtete Anbau als Vortrags- und Informationsraum eingerichtet werden. Dieser erhält dazu im Keller eine Heizungs- und eine Toilettenanlage.

Lange wird überlegt und diskutiert, wie dieses Industriedenkmal – bei dem sich leider kein Teil mehr bewegt - auch für Nichtbergleute interessant gemacht werden kann. Dazu sollen zusätzliche Informationen bereitgestellt werden, ohne das Innere des Gebäudes zu dominieren. Wir glauben dazu mit Hilfe der Fa. Verb gute Lösungen gefunden zu haben:

  • An der Giebelwand des Gebäudes, in der durch Öffnungen auch das aufgelegte Förderseil führt, wird auf einer großen schwarzen Fahne ein Schnitt durch Fördergerüst und Schachtsäule dargestellt.
  • Im Umformerraum wird auf einer vom Laufkran herabhängenden durchsichtigen Fahne auf Geschichte und Entwicklung des Rheinpreußen-Bergbaus eingegangen.
  • Die vorhandenen Aggregate sind dezent beschriftet und ihr Zusammenwirken auf einer Fahne erklärt und auf dem Boden markiert.
  • Zusätzliche Informationen liefern Klarsicht-Fotos an einigen Fensterscheiben sowie kurze Hinweise aus der Bergbaugeschichte auf vielen Wandfliesen, verteilt über das gesamte Gebäude. Außerdem
  • kann man zumindesten das Geräusch einer laufenden Fördermaschine hören und am Stand des Fördermaschinisten einem Gespräch des Maschinisten mit dem Anschläger untertage lauschen.

Die Wiedereröffnung:

Mit einer letzten Kraftanstrengung aller Beteiligten kann dann pünktlich zum verabredeten Termin – fast genau zum 100sten Jahrestag des 1. Spatenstiches – am 2. September 2000 das Industriedenkmal mit einer Festveranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Dabei umrahmt das Rheinpreußen - Orchester musikalisch die Grußworte des Landeskonservators Prof. Dr. Udo Mainzer, von Frau Dr. Brigitta Ringbeck vom Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport, der Vertreter der Stiftungen, des Bürgermeisters Rafael Hofmann sowie den Festvortrag von Prof. Dr. Hermann Boldt und die anschließende Bewirtung der Gäste.

Seit diesem Tag haben wir sowohl während der sonntäglichen Öffnung in den Sommermonaten als auch bei vielen Sonderführungen von Schulklassen bis Seniorengruppen schon eine Vielzahl von Besuchern begrüßen können. Eine kleine Zahl Aktiver, die sich mindestens wöchentlich einmal trifft, unterhält das Denkmal und sinnt ständig über Verbesserungen nach. So kann inzwischen der Teufenanzeiger in Bewegung gesetzt und in einer Art „Streb“ im Keller zumindest die untertägige Dunkelheit nachempfunden werden. Im Jahre 2002 gibt die DSK aus den Beständen Niederberg unentgeltlich Büromöbel und Sitzungszimmerstühle und für den Außenbereich eine Einheit Hobel/Förderer/Schild sowie 40m Gleis und drei Förderwagen ab. Einen Personenwagen stellt die Fa. Schlotmann bei. Das für Interessierte gedachte Anschauungsmaterial außerhalb des Gebäudes wird im September 2003 um eine Untertage-Grubenlok vom Bergwerk West ergänzt.

 

 

 

 

 

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